Nachwort:

Eine Mischung aus ambitioniertem Motorradurlaub, mit viel „Abenteuerfaktor“, und einer Pilgerreise. Ich glaube das trifft es am Besten. Wir waren insgesamt 31 Tage unterwegs, wobei 8 Tage davon für die Rückreise mit dem Frachtschiff draufgingen.
Wir haben eine tolle, stellenweise auch harte Zeit gehabt, aber ich bereue keinen Kilometer. Im Gegenteil, ich könnte gerade wieder losfahren. Ich möchte jeden ermutigen, der über solche Vorhaben nachdenkt, es einfach mal zu tun. Sicher gibt es immer zahlreiche Hindernisse, aber wenn man unbedingt will, dann findet sich schon ein Weg.
Man muss auch nicht unbedingt mit „high-end“ Motorrädern unterwegs sein, wir sind ja das beste Beispiel dafür. Dann stößt man zwar schon mal häufiger an die Grenzen des Materials, aber es geht. Wichtig ist nur dass die Karren richtig gut in Schuss sind. (Neuer Kettensatz, neue Reifen, LuFi, Kupplung, Züge, Öl etc.)
Ein solcher Trip kann durchaus auch relativ kostengünstig bewältiget werden. Was bei uns die Kasse etwas lediert hat, waren die Hotelübernachtungen, wobei wir uns ja öfters auch schon mal Hotels der gehobenen Klasse gegönnt haben. Das geht auch anders. Eigentlich wollten wir ja auch öfter mal zelten.

Apropos zelten:
Wir hatten drei komplette Campingausrüstungen dabei. Drei Zelte, zwei komplette Kochsets und alles was man brauchen könnte, incl. Micropur Pumpe, Wasseraufbereitung, Fertigfutter und allem drum und dran. Das Zeug haben wir jeden Abend abgeladen und in irgendein Hotelzimmer geschleppt. Zusammen etwa 40 Kilo. Warum ?

Ja, das ist etwas schwierig zu erklären, es hat sich einfach nicht ergeben. Am Anfang der Tour wollten wir bewusst ein Motel nehmen, um Zeit zu sparen und am nächsten Morgen wieder schnell weiter zu kommen. In Bulgarien waren die Zimmerpreise so günstig, dass es echt keinen Sinn gemacht hätte. In Istanbul wollten wir unbedingt ins Zentrum, und dort kann man nicht zelten. In Bolu wollten Werner und ich unbedingt dass EM-Spiel Deutschland gegen die Türkei sehen, und wir waren schon spät dran... In Kappadokien haben wir ein so schönes Hotel gefunden, dass wir nicht widerstehen konnten. Manchmal war auch die Stimmung in der Truppe nicht so "Zeltkonform".
So hat sich dass immer weiter fortgesetzt.
In Jordanien und Israel war es zu dieser Zeit einfach zu heiß zum zelten.
Durch die Hotelübernachtungen ergibt sich außerdem ein großer Zeitgewinn. Im Hotel in der Altstadt eingecheckt, kurz unter die Dusche, und eine halbe Stunde später läuft man dann schon beispielsweise durchs Stadtzentrum. Wir haben wirklich viel gesehen auf unserer Tour. Wenn wir immer gezeltet hätten, dann wären wir deutlich langsamer gewesen und wir hätten viel Zeit verloren. Die 10-15 Kilo Mehrgepäck pro Motorrad hätten wir uns allerdings sparen können, und das würde ich auch machen, wenn es noch mal dazu kommen sollte. Ein Schlafsack pro Person, ein Kochgeschirr für alle und ein "Notzelt" sind ausreichend für eine Tour dieser Größenordnung. 

Wir sind sehr dankbar für alle, die unterwegs an uns gedacht und für uns gebetet haben. Es hört sich vielleicht seltsam an, aber ich hatte während unserer kompletten Tour innerlich das Gefühl, das da gerade jemand besonders auf uns aufpasst. Wir haben in so vielen Situationen Bewahrung erfahren, ich glaube nicht dass das alles Zufall war. Neben Werners Unfall gab es noch 2-3 wirklich kritische Situationen, „beinahe Unfälle“, wo aber nix größeres passiert ist.
Die Begegnung mit vielen tollen Menschen, beispielsweise Iris und ihrem arabischen Freund, in Jerusalem, sind mir besonders wertvoll geworden. Wenn man sich mit solchen Leuten unterhält lernt man noch einmal neu „über den Tellerrand“ zu schauen. Versuchen Visionen umzusetzen, auch wenn viel dagegen spricht. So eine Tour ist sehr, sehr horizonterweiternd, da nimmt man sich so viel mit, wo man noch Jahre später von zehren kann. Alleine das ist es schon wert.
Ich bin von dieser Reise verändert zurückgekehrt. Mein ursprüngliches Bild vom Nahen Osten und Palästina hat sich auf den Kopf gestellt. Sehr, sehr positive Erfahrungen haben wir in Syrien und Jordanien gemacht. Tolle Länder und tolle Menschen. Ich kann nur jedem empfehlen: Einfach hinfahren und Land und Leute genießen !
Aufgrund der, für unser Verständnis, schwierigen Grenzformalitäten im Vorfeld, hatte ich die Syrer grundsätzlich als „schwierig“ und auch „gefährlich“ assoziiert. Das wurde noch verstärkt durch viele kuriose Geschichten, die im Internet zu finden sind.
Wir haben genau das Gegenteil erlebt. Vorausgesetzt man respektiert die Menschen und deren Religion, wie man das auch selbst erwarten würde, sind das die gastfreundlichsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe.
Überhaupt war gerade das die eindrücklichste Erfahrung auf dieser Reise für mich: Die Menschen, und Lebensumstände auf beiden Seiten des Jordans kennen gelernt zu haben. Da kann man auf einmal viele Zusammenhänge und Reaktionen besser verstehen. Das Bittere daran ist für mich die Erkenntnis dass es dort so unmöglich Frieden geben kann. Neben dem religiösen Konflikt und den unterschiedlichen Gebietsansprüchen treffen hier auf engstem Raum Welten aufeinander, die in ihrer Entwicklung sehr, sehr weit auseinander liegen. (Gerade wo ich diese Zeilen schreibe, im Winter 2008,  trifft mich das noch einmal besonders: Israel zerbombt zu Weihnachten den Gaza-Streifen)

Die Eindrücke in Israel waren sehr zwiespältig. Natürlich sind die Besichtigungen der biblischen Orte, Jerusalem, See Genezareth, totes Meer, Qumran, Engedi, Massada, Golanhöhen etc. sehr beeindruckend und prägend. Aber ich glaube es ist ein großer Unterschied, wenn man Israel, mit einer geführten Tour, von Gemeinde zu Gemeinde bereist, oder das Land auf eigene Faust einfach kreuz und quer mit dem Moped durchkämmt. Dann sieht man auch schon mal ganz andere, weniger schöne Seiten. Gelegentlich weht einem dann auch als Deutscher schon einmal starker Gegenwind ins Gesicht.
Ich weiß dass es viele Israelliebhaber jetzt stören wird, wenn ich solche Dinge über das Land schreibe, ich möchte aber betonen, dass es sich um meine ganz persönlichen Erfahrungen dieser Reise handelt. Andere Menschen haben vielleicht andere Erfahrungen gemacht, und können ja ihre Meinung dementsprechend auch äußern.

Warum sind wir ausgerechnet zu dieser Jahreszeit gefahren ?
Werner arbeitet u.A. an einer Musikschule und ist an die Schulferien NRW gebunden. Unser Pech war, dass es in Israel Juli 2008, eine Hitzewelle gab, unter der sogar die Einheimischen gestöhnt haben.

Die Motorräder:

Die Transalp, die ich eigentlich nach der Tour wieder verkaufen wollte, werde ich behalten. Sie hat sich als ein sehr solides, reisetaugliches Motorrad erwiesen. Ich bin nach der Tour, im gleichen Jahr noch weitere 8000km gefahren ohne Service (1x Ölwechsel). Man sitzt sehr komfortabel und man kann problemlos über 1000km am Tag fahren ohne das der A…. weht tut. Das Original-Windschild war mir zu laut, mit höheren Scheiben habe ich noch schlechtere Erfahrungen gemacht. Deshalb habe ich es so kurz wie möglich abgesägt, das war für mich der beste Kompromiss. (Wenn da mal jemand etwas Besseres erfinden sollte, wäre ich dankbar…) Ich bin davon überzeugt dass die Transe noch weitere 10 000km gefahren wäre ohne Stress zu machen. (Die Kollegen mussten nachher erstmal in die Werkstatt) Sie ist zwar weder besonders schnell, könnte auch gerne noch 25 PS mehr haben, die Optik ist für mich etwas gewöhnungsbedürftig, aber was man sagen muss: Sie kann viel, viel mehr als man ihr auf den ersten Blick zutraut. Sie ist unglaublich vielseitig und vor allen Dingen sehr zuverlässig. Was mich gestört hat war das Fahrverhalten bei sehr starkem Seitenwind. Obwohl ich versucht hatte die schweren Dinge nach „vorne“ und „unten“ zu laden, war das ein großes Problem. Aber grundsätzlich macht die Transalp Spaß, und  außerdem war sie ja jetzt schon mal in Jerusalem, das ist doch was.

Nachtrag: Nachdem ich mir im Februar 2009 endlich ein neues Lenkkopflager gegönnt habe, kann ich mir vorstellen dass die meisten "Seitenwindprobleme" daher kamen. Die Transalp fährt sich plötzlich so als hätte ich ein neues Motorrad !

Werners Yamaha Dragstar, über die wir vorher alle so geschrotzt haben, hat sich ebenfalls als absolut solides Bike herausgestellt. Werner fährt mit dem Chopper knallhart mit 90 km/h durch den Schotter. (Er brauchte zwar nachher komplett neue Federbeine und man muss auch berücksichtigen dass er ja ein Leichtgewicht ist) Während wir morgens erst mal einen Blick auf unsere Kette werfen mussten und vielleicht nachspannen und schmieren etc. saß der Werner schon auf seinem Bock (Kardan) und fragte nur: „Wo bleibt ihr denn Jungs ?“

Die Teneré hat bis nach Israel auch gut gehalten. Ein Riesenvorteil war der 48 Liter Tank. (incl. Hecktank) Da hatten wir immer eine Reserve, wenn es mal eng wurde. Aber eigentlich gab es, selbst in Syrien, etwa alle 100-150km eine Tankstelle. Der Sprit kostet dort übrigens nur etwa 0,46€/Liter. Dafür hat er nur 86 Octan und ist manchmal noch verbleit. Vorsicht mit Kat ! Wenn ich die selbe Reise noch mal machen würde, würde ich den Kat vorher ausbauen.

Wir haben auch noch einmal schätzen gelernt was es bedeutet Bundesgrenzen problemlos passieren zu können. Welche Freiheit wir hier bei uns genießen, nach Holland, Frankreich, Italien und Spanien etc. einfach mal hinzudüsen ohne Kontrollen. Wenn man für jede Grenzüberquerung 2-5 Stunden braucht, dann wird einem noch mal bewusst was das für ein Luxus ist. Für die Menschen in Syrien, Jordanien, aber teilweise auch in Israel ist es generell viel schwieriger überhaupt mal aus ihrem Land rauszukommen. Ein jordanischer Grenzbeamter, der unseren Trip auch cool fand, der sagte sinngemäß zu uns: Solche Biker wie euch gibt es in Jordanien auch. Da ist schon mal einer von hier aus, mit dem Motorrad, bis in die Türkei gefahren. Er hatte überhaupt keine Vorstellung von den Entfernungsverhältnissen. Von der jordanischen Grenze bis nach Kappadokien, das sind ca. 1000km. Von Deutschland bis an die jordanische Grenze knapp 6000 km.

Ich denke sehr gerne an diese Reise zurück, und kann die Route nur weiterempfehlen. Sicher gibt es Routen wo viel mehr, richtig geile Motorradstrecken dabei sind, aber dafür erlebt man sehr viel. Das Träumen von fernen Ländern fasziniert wahrscheinlich jeden Motorradfahrer. Deshalb ergebe ich mich jetzt auch wieder dem Fernweh, und träume von der nächsten Tour…

Frank Röcher