Über den Autoput

Am zweiten Tag geht es über den ehemaligen Autoput, durch Kroatien Richtung Serbien.
Während es in Slowenien sehr schöne, hügelige Landschaften zu sehen gab (sieht manchmal genau so aus wie im Siegerland) wird die Gegend hier, im Norden Kroatiens, allmählich eintöniger.
Eine flache, schnurgerade Autobahn Richtung Osten. Die Anfangs klein-parzellierten Ackerflächen gehen langsam über, in unendliche Agrar-Monokulturen. Wenig Abwechslung, monoton.

Ich bin noch nicht so ganz wach, deshalb macht mir das nicht so viel aus. Aber ich habe wieder das gleiche Gefühl wie am Tag zuvor: „Ist das geil dass wir endlich unterwegs sind !“
Es gibt auch sehr schöne Eindrücke, z.B. Sonnenblumenfelder so weit das Auge reicht. Aber leider keine Zeit zum anhalten - wir wollen ja erst mal ein paar „Meter“ machen.
Zum ersten Mal ein etwas komisches Gefühl beim überqueren der serbischen Grenze. Völlig unnötig, werden sehr schnell abgefertigt - alles cool, wollen nur die Reisepässe und Fahrzeugpapiere sehen, sonst nix. Keine Gepäckkontrolle.
In Serbien häufen sich dann die Fahrzeuge, die in Deutschland schon vor 10 Jahren nicht mehr durch den Tüv, geschweige denn die AU gekommen wären. Besonders Lkws.
Ab Mittags macht sich ein leises klackerndes Geräusch an der Rugards 1990er Téneré bemerkbar. Wir werden etwas nervös. Haben wir der alten Dame, von der niemand die Laufleistung genau kennt, doch zu viel zugemutet ? (Die Teneré hat keinen Tacho) Nonstop von morgens bis es dunkel wird Autobahnschrubben geht aufs Material. Sollte unsere Tour schon ein frühes Ende in Serbien finden ? Wir überlegen was es alles sein könnte. Das Geräusch lässt sich nicht genau orten. Für mich hört es sich so an wie ein Ventil, und das macht mir große Sorgen, denn hierfür haben wir keine Teile und kein Werkzeug dabei. Wir beschließen generell etwas „motorschonender“ zu fahren und reduzieren die Geschwindigkeit ein wenig.
In Belgrad quälen sich die Lkws im Schritttempo die steile, kurvige Autobahn rauf. Überholen sich gegenseitig mit Tempo 30. Man kommt flott um die Ecke und auf einmal „stehen“ die da rum. Den Berg runter fahren viele genauso langsam, mangels intakter Bremsen. Es stinkt nach Kupplung.
Etwa 130 km vor Sofia, bei „Nis“ hört die Autobahn auf. Die Landschaft verändert sich. Es wird etwas hügeliger - endlich. Wir fahren durch kleine verwahrloste Dörfer, in den meisten möchte ich nicht tot überm Zaun hängen. Viele halb eingefallene Häuser. In einem Kaff verwesen tote Hunde am Straßenrand. Es stinkt erbärmlich. Lieber nicht anhalten. Die ersten Eselskarren. Wir kommen einen kleinen Berg runter, biegen um eine Kehre, da steht eine alte Frau mit ihrer kleinen Ziegenherde mitten in der Kurve. Zum Glück sind wir nicht ganz so schnell und können gerade noch links vorbei. Ich frage mich was wohl passiert wenn der nächste Lkw den Berg runter gedonnert kommt, und dann vielleicht noch Gegenverkehr kommt.
Etwas später das erste kleine Highlight. Eine wunderschöne felsige Schlucht beginnt und endlich Kurven ! Das macht Spaß. Bis zu dem Zeitpunkt wo wir in den ersten Tunnel einbiegen. Die schmalen, in den Fels gehauenen Tunnel sind sehr kurvig und nicht beleuchtet, 0,0, und ohne Standstreifen. Du kommst aus dem gleißenden Licht in völlige Finsternis und siehst plötzlich - gar nichts mehr ! Lkws mit aufgeblendeten Scheinwerfern kommen hupend entgegen. Werner, der als erster fährt hat es am schwierigsten. Im zweiten oder dritten Tunnel bleibt Werner mit der Dragstar plötzlich liegen. Das ist echt lebensgefährlich, in einem unbeleuchteten Tunnel ohne Standstreifen. Ich halte an und renne wie bekloppt zurück um ihm zu helfen. Zum Glück kommt gerade nur Gegenverkehr.  Dann fährt er auf einmal wieder. Werner war, in der totalen Finsternis, auf der Suche nach dem Fernlichtschalter an den Killschalter gekommen - shit happens…

An der bulgarischen Grenze hat sich eine 6 km lange Lkw-Schlange gebildet. Alles steht. Dran vorbei. Die Fahrer kochen am Straßenrand ihre Süppchen. Die Grenze ist geschlossen, keiner weiß warum. Nach einer geschätzten halben Stunde bewegt sich endlich was, der Grenzbeamte macht einen auf Macho. Nach der Kontrolle der Pässe guckt er jedem sehr lange tief in die Augen um uns dann wortlos durchzuwinken.

Beim Geldumtausch direkt hinter der Grenze versucht man uns erst einmal übers Ohr zu hauen. In dem offiziellen Wechselbüro ist der Euro plötzlich nur noch die Hälfte wert. Zahlreiche Händler und Hühnerdiebe versuchen uns irgendetwas anzudrehen. Man spürt instinktiv dass dieser Ort gewiss nicht zu den sichersten auf der Welt zählt. Also nix wie weg. Wir fahren erst mal weiter. Das Klackern an der Teneré ist lauter geworden. In Sofia sind wir etwas uneinig über die Route durch die Stadt. Es herrscht eine unglaublich hohe Polizeipräsenz. An jeder Ecke stehen die blau-weißen, kontrollieren und blitzen. Es kommt uns so vor als wäre etwas passiert. Als ich mal nachfrage bekomme ich die verwunderte Antwort eines Polizisten „Nein, das ist hier völlig normal“. So richtig nehme ich ihm das nicht ab. „Wenn das hier wirklich immer so ist, dann wird das schon einen triftigen Grund haben.“ - denke ich mir.
Es ist dunkel geworden, und die Quartiersuche gestaltet sich schwierig. Wir verfransen uns ziemlich in der Peripherie der Millionenstadt. Wirklich schön ist es hier auch nicht und wir beschließen einfach weiter Richtung Osten zu fahren und aufgrund der fortgeschrittenen Stunde und der knurrenden Mägen das nächst beste Motel anzusteuern. Kurz hinter Sofia gibt es wieder eine Autobahn. Hier werden wir von einem stark gepanzerten Gefangenentransporter überholt, der eskortiert von mindestens 8 Polizeiwagen, mit Vollgas und Blaulicht vorbeistocht. „Ob das wohl etwas mit der starken Polizeipräsenz in Sofia zu tun hatte ?“ Keine Ahnung.
Wir übernachten in einem sehr neuen Kongresszentrum bei „Ihtiman“. Riesengroß, aber empfehlenswert. Auch hier herscht ein sehr großes Security-Aufgebot. Wir parken die Mopeds direkt vor den Überwachungskameras und haben das Gefühl, dass hier nicht viel passieren kann. Nachdem wir endlich unseren Kohldampf gestillt haben sehen wir noch den Schluss des EM-Spiels Spanien-Italien in der Lobby.
Das was ich draußen als riesengroße Kakerlaken beschimpft habe identifiziert Rugard als Fachmann sofort als „Hirschkäfer“, nützlich und schützenswert. Na ja.

weiter...